Die Druckwelt, wie Graphax sie sieht

Die Graphax AG, welche in der Schweiz exklusiv die Produkte von Konica Minolta, MGI und Motioncutter vertreibt, ist mittlerweile einer der führenden Anbieter von industriellen Drucksystemen. Jüngstes und spektakulärstes Beispiel ist die Inkjet-/Veredelungs-/Laserstanzen-Installation bei der Werner Druck & Medien AG. Was macht die Graphax AG so erfolgreich? Und wie sieht man Gegenwart und Zukunft des Druckmarktes? swiss print + communication hat nachgefragt.

Tranformation fpr Print

Das Interview mit Beat Bühlmann, CEO der Graphax AG, in der Ausgabe 2/22 («Graphax steht für ICT»), sorgte in der grafischen Branche für Fragezeichen – steht das Unternehmen überhaupt noch zur Druckwelt, auch wenn der CEO dies ausdrücklich bestätigt hat? Nun, in der Ausgabe 4/22 steht Graphax wiederum im Zentrum des Interesses. Einerseits wurde der Umschlag dieser Ausgabe in Bern auf einer Konica Minolta-Tonermaschine der Berufsfachschule SfgB:B produziert. In Bern werden die mehreren Konica Minolta-Aggregate nicht nur zu Grundbildungs- und Weiterbildungszwecken eingesetzt, sondern es ist gleichzeitig ein Showroom für potenzielle Kunden von Graphax. Andererseits sorgt man mit der Installation bei der Werner Druck & Medien AG für Furore. Dort hat man als Schweizer Premiere eine B2-UV-Inketmaschine AccurioJet KM-1e HD, eine JetVarnish-Veredelungsmaschine und ein Motioncutter-Laserstanzystem installiert. Werner Druck & Medien AG Geschäftsführer Roger Kessler redet dabei gegenüber seinen Kunden nicht von «Digitaldruck», sondern vom «HD-Druck». Wie immer man die Lösung bezeichnet, hellhörig sind nicht nur potenzielle Kunden von Graphax, sondern auch die Druckbranche selbst. Dem Vernehmen nach schauen derzeit viele Druckereien mit Argusaugen nach Basel. Darum ist es nicht verkehrt, für die aktuelle Ausgabe, die unter anderem den Digitaldruck behandelt, Graphax und ihr Tun für die Druckwelt näher zu analysieren.

 

Das ist Graphax im PP/IP
Red und Antwort standen Daniel Nater, Teamleiter Sales Professional Printing, und Manuel Simmen, Produktmanager Professional Printing. In diesem Artikel geht es ausschliesslich um die Bereiche Professional Printing und Industrial Printing (PP/IP). Das ganze Office-Segment, weiterhin ein wichtiges Standbein der Firma, wird bei der Betrachtung aussen vorgelassen. Auf die Frage, wie gross das dedizierte Graphax-Team sei, antwortet Daniel Nater: «Wir haben für die Deutschschweiz und die Romandie 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Davon sind fast 20 Servicetechniker und der Rest sind Verkäufer und Business-Consultants.» Vergleicht man diese Zahlen mit denen der Mitbewerber, wird schnell klar, dass Graphax in der ersten Liga unterwegs ist. Vor allem: Graphax hat sein PP/IP-Team in den letzten vier Jahren personell deutlich aufgestockt, während andere reduziert oder bestenfalls den Personalbestand gehalten haben. Passt das also zur Aussage, man wolle im industriellen Druckbereich zur «Nummer 1 der Schweiz» werden? Daniel Nater präzisiert: «Ich bin kein grosser Fan dieser Aussage, weil sie in meinen Augen, was die Strategie des Unternehmens betrifft, zu falschen Schlussfolgerungen führt. Ja, wir wollen im PP/IP-Segment wachsen. Das haben wir in den letzten Jahren erfolgreich umgesetzt,  aber es geht hier nicht in erster Linie um das Gewinnen von Marktanteilen. Unsere Strategie ist vielmehr auf eine langfristige Veränderung der Märkte im PP/IP-Segment ausgerichtet, und hier wollen wir uns ideal positionieren. Das geht nur, wenn wir das gesamthaft beste Paket und zukunftstaugliche Lösungsansätze anbieten können. Da sind die Drucksysteme nur ein Teil der Strategie.» Doch kann Graphax auch ganz konkret mit einer Pole-Position aufwarten. Manuel Simmen: «Wenn wir den Toner-Farbeswiss print+communication 55 Bereich im industriellen Segment anschauen, also Maschinen, die eine Leistungsfähigkeit ab 70 Bogen/Minute haben, sind wir in der Schweiz klar die Nummer 1.»

 

Eine spezielle Beziehung
Graphax ist in der Schweiz Konica Minolta und Konica Minolta ist Graphax. Der japanische Mischkonzern mit Geschäftszweigen Medizinal- und Bürotechnik sowie optische Industrie erwirtschaftet über 7 Milliarden Franken Umsatz und hat weltweit mehr als 40 000 Mitarbeitende. Gemäss Analyse der offiziellen Finanzzahlen erwirtschaftet der PP/IP-Bereich über 22% des Gesamtumsatzes. Klare Abgrenzungen sind bei japanischen Mischkonzernen nicht immer so einfach, aber die Aussage: «Konica Minolta erzielt rund 1,5 Milliarden Franken Umsatz mit PP/IP» dürfte der Realität ziemlich nahe kommen. Diese Zahlen sind vergleichbar mit der Bobst-Gruppe und beispielsweise mehr als der Koenig & Bauer-Konzern. Mit anderen Worten: PP/IP von Konica Minolta (ohne Office-Segment!) ist eine ziemlich grosse Sache. Vor diesem Hintergrund ist die Situation in der Schweiz interessant. Im Gegensatz zu anderen Märkten vertreibt Konica Minolta seine Produkte (fast) exklusiv über das Familienunternehmen Graphax. Die Ursprünge reichen in die Zeit zurück, als Konica Minolta noch ausschliesslich Bürogeräte verkaufte. Doch genau so, wie die Japaner im letzten Jahrzehnt die Segmente Professional Printing/Industrial Printing aufgebaut haben, hat sich auch Graphax in einen PP/IP-Spezialisten verwandelt.

 

Das Portfolio
Als typische japanische Firma verfolgte Konica Minolta eine langfristige Strategie. Man setzt auf einen langen Atem und weniger auf grosse «Big Bangs». Digitaldrucktechnologie ist komplex und die Entwicklung neuer Technologien erfordert Ressourcen. Wenn nun die Schweizer Premiere der ersten AccurioJet KM-1e HD gefeiert wird, darf man nicht vergessen, dass der erste Prototyp dieser Maschine bereits an der drupa 2012 vorgestellt wurde! Konica Minoltas Eroberungszug in die Welt des industriellen Druckens ist eine Erfolgsgeschichte. Die ersten industriellen Tonerdruckysteme, die bizhub-Modelle, wurden erstmals 2005 der Öffentlichkeit vorgestellt. Seither hat man das Tonersegment stetig ausgebaut, besonders in den letzten drei Jahren. 2014 stiegen die Japaner beim innovativen französischen Hersteller MGI ein, dessen digitale Veredelungssysteme mittlerweile ein zentraler Baustein des Angebotsportfolios darstellen. Und man integriert weitere Fremdprodukte wie beispielsweise den Motioncutter, ein Laser-Stanzsystem, welches ursprünglich von einem deutschen Medienunternehmen entwickelt wurde. Das aktuelle Portfolio von Graphax in der Schweiz im PP/IP-Bereich bei den Druck- und Veredelungssystemen sieht so aus:

  • AccurioJet KM-1e /KM-1e HD (B2-Format, Inkjet-UV)
  • AccurioLabel 230 (Labelmaschine, Toner)
  • AccurioPress C12000/C14000 (Toner, A3+)
  • AccurioPress C7090/7100 (Toner, A3+)
  • AccurioPress C83hc (Toner, A3+, RGB-Farbraum)
  • AccurioPress C4080/4070/4065 (Toner, A3+)
  • MGI JETVarnish-Serie (digitale Veredelung)
  • Motioncutter (Laserstanzung)

Daneben bietet Graphax verschiedene Hardware- und Softwareapplikationen an, teils Produkte von Konica Minolta, aber auch von Fremdanbietern. Damit liefert man umfassende Lösungen für Qualitäts- und Prozesskontrolle, Workflow-Automatisierung und Individualisierung von Druckprodukten. Daniel Nater: «Unsere Applikationen bieten wir nicht nur Kunden an, die mit Maschinen von uns arbeiten. Gerade was Workflow-Automatisierung betrifft, haben wir interessante Produkte, die auch die Bedürfnisse von traditionellen Offsetdruckern abdecken.»

 

Erfolg
Paradoxerweise waren die beiden Pandemiejahre sehr erfolgreiche Jahre für Graphax. Daniel Nater: «Von der AccurioPress C12000/C14000, 2020 erstmals in der Schweiz gezeigt, konnten wir mittlerweile 40 Maschinen platzieren.» Dabei handelt es sich um Neuinstallationen, vielfach aber auch um Ersatzinvestitionen, bei denen ältere industrielle Drucksysteme von Mitbewerbern ersetzt wurden. Daniel Nater: «Mit der AccurioPress C12000/C14000-Serie erfuhren wir einen richtigen Boost. Vorher hatten wir für dieses Marktsegment gar nichts anzubieten. » Manuel Simmen ordnet ein: «Wir ernteten sicher die Früchte unserer Arbeit im Schweizer Markt. Ehrlicherweise profitierten wir aber auch von der kompletten Erneuerung und Erweiterung des PP/IP-Tonersystemangebots von Konica Minolta. Neben den hochleistungsfähigen AccurioPress C12000/C14000 wurde auch das Standardangebot mit der AccurioPress C7090/C7100 und der AccurioPress C4080/4070/4065 grundsätzlich überarbeitet. Alle diese Systeme haben eine neue Toner-Generation, die mattere Drucke ermöglicht, und so den Tonerdruck qualitätsmässig noch näher beim Offsetdruck positioniert. Gleichzeitig haben wir bei all diesen Systemen eine integrierte und vollautomatisierte Farbkalibrierung, welche nicht nur die Qualität erhöht, sondern auch die  roduktionseffizienz deutlich steigert.»

 

Aufregung 
Doch Graphax hatte nicht nur Freude mit Konica Minolta. Im August 2021 kam es in einer Tonerfabrik in Japan zu einer Explosion. Dies führte dazu, dass der japanische Konzern für rund zwei Monate keinen Toner liefern konnte. Für Daniel Nater eine aufregende Zeit: «Zunächst einmal konnten wir den Ausfall wegstecken, weil wir ein umfangreiches Lager hatten. Doch sehr schnell sank dieser Bestand und wir mussten uns mit anderen Mitteln behelfen. Wir kamen zur für uns und unsere Kunden sehr unangenehmen Erkenntnis, dass wir für eine gewissen Zeitraum nicht alle Kunden im PP-Segment mit ausreichend Toner beliefern konnten. Eine der Massnahmen war, dass wir sogenannte Back-up-Druckzentren bestimmten, die wir mit dem nötigen Toner belieferten. Gleichzeitig sorgten wir dafür, dass Kunden, die keinen oder zu wenig Toner hatten, ihre Aufträge in diesen Back-up-Druckzentren zeitgerecht produzieren konnten. Die damit verbundenen Mehrkosten übernahmen selbstverständlich wir.» Und das war nur ein Element der vielen Notmassnahmen. Mittlerweile ist die «Toner-Krise» weitgehend überwunden. Manuel Simmen: «Wir sind praktisch wieder beim Normalzustand.» Zum Glück für Graphax und Konica Minolta: das Unglück mit dem Ausfall der Tonerproduktion fiel in eine Zeit, in der ohnehin ausnahmslos alle Anbieter von Versorgungsengpässen betroffen waren. Manuel Simmen: «Bei Toner ist wie gesagt alles wieder okay, aber in vielen anderen Bereichen haben wir natürlich die gleichen Probleme wie alle anderen. Gerade was IT-Bestandteile betrifft, befinden wir uns in einer angespannten Situation.» Daniel Nater: «Im PP/IP-Segment sind die Probleme immerhin überschaubar. Wir haben einfach etwas längere Lieferfristen, aber die Situation ist nicht dramatisch.»

 

Trends
Halten wir fest: Graphax und Konica Minolta sind heute eine feste Grösse für den industriellen Druck in der Schweiz. Vierzig AccurioPress C12000/C14000-Installationen sprechen eine deutliche Sprache. Und das Fallbeispiel der Werner Druck & Medien AG mit der AccurioJet KM-1e HD und den zusätzlichen Aggregaten ist ein weiteres wichtiges Signal. Hier zeigen sich zwei klare Trends. Daniel Nater: «Viele Druckereien sind in der Pandemie noch kostenbewusster geworden. Vieles, was vorher noch unter Nice to have lief, wird heute klar hinterfragt. Das hat uns bei der AccurioPress C12000/C14000 sehr geholfen. Es ist eine leistungsfähige Vierfarbenmaschine, aber ohne zusätzliche Elemente wie eine fünfte Farbe. Wenn ich heute ein Gespräch mit einem Interessenten führe, der mir sagt: Warum habt ihr da keine Sonderfarben?, antworte ich ihm: schau doch für diese Dienstleistung mit einem Druckpartner in der Region. Da sind die meisten für solche Denkansätze mittlerweile sehr offen. Das war in der Vergangenheit nicht immer so.» Für Manuel Simmen ist die Installation bei Werner Druck & Medien eine Art Leuchtturm: «Konica Minolta verfolgte bis anhin immer die Strategie, Sonderfarben über einen erweiterten CMYK-Farbraum abzudecken. Dafür setzt man mit MGI klar auf die Veredelungsthematik. Konsequenter als viele unserer Mitbewerber. Werner Druck & Medien zeigt auf, in welche Richtung es gehen könnte. Das geht weit über die klassische Philosophie des Ein-bisschen- Farbe-aufs-Papier-Auftragen hinaus.» Daniel Nater: «Mit unserem Portfolio können wir sowohl die Sparer wie auch die Innovativen sehr gut bedienen.»

 

Die Zukunft
Daniel Nater ist optimistisch. Auf der einen Seite stehen die harten Fakten: «Machen wir uns keine Illusionen. In den nächsten Jahren werden noch mehr Druckereien verschwinden oder aufgekauft und integriert. Die Druckauflagen sinken. Es werden auf allen Ebenen, auch im Bereich der Toner-Systeme, weniger Maschinen gekauft werden.» Doch aus der Sicht von Graphax hat die Entwicklung auch positive Seiten. Daniel Nater: «Die Auflagen gehen zwar zurück, aber die Anzahl Druckaufträge steigt. Print-on-Demand wird zum Standard. Der Anteil von personalisierten und individualisierten Drucksachen steigt stetig. Genau für diese Marktbedürfnisse sind wir mit unserem Portfolio ideal aufgestellt.» Digitaldruckanbieter in der natürlichen Winner-Ausgangslage? Daniel Nater sieht das als eine zu vereinfachende Sichtweise: «Der Preiskampf ist auch unter den Anbietern von Toner-Systemen knochenhart. Und wie wir alle sehen, hat sich der industrielle Inkjet bei Weitem nicht so entwickelt, wie alle prognostiziert haben. Im Gegenteil: ich beobachte da eine ziemliche Stagnation. Am Ende geht es aber gar nicht darum, mit welchen Maschinen produziert wird. Ob Digitaldrucksystem oder Offsetmaschine, das ist unerheblich. Wichtig sind Gesamtlösungen, welche die richtigen Antworten auf die von mir beschriebenen Veränderungen in den Druckmärkten bieten. Wer da auch im Digitaldruck nur Maschinen und sonst nichts anbietet, wird langfristig keinen Erfolg haben. Wir sind überzeugt, allen Kunden im PP/IP-Segment die für sie richtigen Pakete anbieten zu können.»

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